Die Dissertation „Chinesisch in der Fremde: Interkulturelles Rezeptwissen, kollektive Identitätsentwürfe und die internationale Expansion chinesischer Unternehmen“ von Michael Poerner liegt an der „Schnittstelle zwischen gegenwartsorientierter Chinawissenschaft und kulturwissenschaftlich ausgerichteter Translationswissenschaft“:

Seit dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation im Jahre 2001 steigt die weltweite Investitionstätigkeit chinesischer Unternehmen rasant an. In Industriestaaten zeigt sich diese Entwicklung vor allem in Form von Fusionen und Übernahmen, die meist mit dem Ziel getätigt werden, möglichst schnell technisches Know-how oder etablierte MarkenNamen zu erwerben. Neben politischen oder juristischen Problemen wird diese Entwicklung auch von erheblichen sprachlich-kulturellen Herausforderungen begleitet. Welche anwendungsorientierten Lösungsmöglichkeiten und Bewältigungsstrategien werden im Zuge dessen innerhalb Chinas formuliert? Wie werden etwa deutsche Geschäftsleute in chinesischen Managementratgebern beschrieben beziehungsweise wie sollte man sich aus chinesischer Perspektive am besten verhalten, um in einer Verhandlung erfolgreich zu sein? Welche Rolle spielen dabei die kulturelle ‚Renaissance‘ und das gestiegene nationalkulturelle Selbstbewusstsein seit den 1990er Jahren? Wirtschaften chinesische Unternehmen etwa anders als ‚westliche‘ und steht der Geschäftswelt tatsächlich eine chinesische Managementrevolution bevor? (Klappentext)

Die Beschreibung lässt vermuten, dass sich der Text vor allem wirtschaftlichen Fragestellungen widmet, tatsächlich ist der Bogen aber weiter gespannt:

Poerners Fazit (241-243) spricht von der Erwartungen von Auftraggebern für geisteswissenschaftliche Forschung der Gegenwart, nützlich zu sein. Das genau ist wohl das Problem dieses Buches. Wissenschaftliche Einsichten in Geschichte und Kultur des Menschen, die vorgetragen werden müssen, sei es gelegen oder ungelegen, begeben sich hier in die Verpackung der Anwendungsforschung, um sich besser verkaufen zu lassen. Es wäre dem Buch sehr zu wünschen, dass dies gelingt, damit es möglichst weitgestreut gelesen wird. Es gehört in die Hände des Sinologen, des Wirtschaftswissenschaftlers, des Historikers, des Politologen und des Soziologen.

(Horst Jürgen Helle, Universität München)