Deutschland war zwar schon im 14. und 16. Jahrhundert auf chinesischen Landkarten zu finden und durch den chinesisch-preußischen Vertrag von 1861 präsent, erlangte aber erst durch die militärische Überlegenheit gegen Frankreich 1870/71, besondere Aufmerksamkeit. Das Deutsche Reich wurde in dieser frühen Phase der chinesisch-deutschen Beziehung vor allem durch zwei Eigenschaften charakterisiert:
Bestimmend war der Respekt vor der militärischen Stärke und den damit verbundenen Tugenden Tapferkeit, Gehorsamkeit, Vaterlandsliebe und Tüchtigkeit. Diese wurden auch zur Wahl der Schriftzeichen für Deutschland herangezogen: 德 (de – Tugend) und 意志 (yizhi – Wille).
Außerdem hoffte man die Konkurrenz Deutschlands zu den anderen europäischen Mächten die in China präsent waren, vorteilhaft ausnutzen zu können.
Die Bewunderung des deutschen Militärs ging soweit, dass chinesische Diplomaten sie zum Hauptpunkt ihrer Deutschlandbeschreibungen machten. Li Hongzhang, „der Bismarck des Fernen Ostens“, plante sogar die gesamte chinesische Armee nach deutschem Muster zu organisieren und sprach davon, dass in Deutschland die ganze Nation einheitlich handle und die Staatsmaschine reibungsloser arbeite als das beste Uhrwerk in Kanton (Guangzhou).
Es herrschte also das Klischee vor, dass Deutschlands hervorragende Errungenschaften auf den Gebieten der Wissenschaft und Technik, aber auch Wirtschaft und Kultur, in seinen militaristischen Tugenden begründet waren. Die autokratisch-konstitutionelle Ordnung des deutschen Staatswesens und später der Staatssozialismus Bismarcks machten Deutschland zum „Lehrmeister“ und Vorbild Chinas.
Nach dem 1. Weltkrieg differenzierte sich das chinesische Deutschlandbild. Die Schmach des Versailler Vertrags, der China ebenfalls in eine Verliererrolle drängte, schien die beiden Länder in einer Schicksalsgemeinschaft zu verbinden. Die Wahrnehmung Deutschlands war nun jedoch durch die unterschiedlichen Interessengruppen geprägt.
So sahen die chinesischen Mitglieder der kommunistischen Bewegung, Deutschland als Zentrum des antikapitalistischen und antifaschistischen Kampfes der revolutionären Arbeiterbewegung an, andere wie der liberale Konstitutionalist Liang Qichao, nahmen es eher als Beispiel einer aus allgemeinen Wahlen hervorgegangenen parlamentarisch-konstitutionellen Ordnung.
Die Guomindang unter Chiang Kaishek betrachtete Deutschland nach dem Bruch mit den Kommunisten als natürlichen Freund Chinas und arbeitete eng mit deutschen Militärberatern zusammen. Chiang Kaishek war ein Sympathisant Hitlers und Nazideutschlands, man sah sich durch das Führersystem und Diktaturmodell, sowie die Wirtschafts- und Gesellschaftskonzepte verbunden.
Freilich gab es zu dieser Zeit auch ein ganz anderes Deutschlandbild. Hier determinierte nicht die Politik die Charakterisierung Deutschlands, sondern die Begeisterung für eine Vielzahl der Werke deutscher Wissenschaftler, Schriftsteller und Künstler.
Das Deutschlandbild nach dem 2. Weltkrieg wurde grundsätzlich durch die Existenz zweier deutscher Staaten und den Kalten Krieg geprägt. In der Gründungsphase der Volksrepublik China in den 1950er und 1960er Jahren war die Aufmerksamkeit vor allem auf das sozialistische Bruderland DDR als Heimstätte von Marx und Engels und Fortführer aller guten Traditionen gerichtet. Die Bundesrepublik galt dagegen als reaktionärer imperialistischer Staat. Erst der chinesisch-sowjetische Konflikt in den 1970er Jahren führte zu einer differenzierten Wahrnehmung beider deutscher Staaten.
Während der chinesischen Öffnungspolitik in den 1980er Jahren begann dann eine breite Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit den wissenschaftlich-technischen und geistig-kulturellen Leistungen der BRD. Das wiedervereinigte Deutschland wird als hoch entwickeltes Industrieland und wichtiger Kooperationspartner angesehen. Die politische Entwicklung wird zwar mit großem Interesse verfolgt, eine kritische Distanz ist allerdings ebenfalls gegeben. Das plötzliche Verschwinden der DDR galt gerade durch die erneute Annäherung in den 1980er Jahren, als bedauerlich.