Konfuzius

孔子 (Kǒng Zǐ)

551–479 v. Chr. · Philosoph & Lehrer · Begründer des Konfuzianismus

Der einflussreichste chinesische Philosoph, dessen Lehren von Menschlichkeit (), Sittlichkeit () und moralischer Kultivierung die ostasiatische Kultur über 2.500 Jahre prägten und heute noch Geschäftsethik, Führung und Bildung weltweit beeinflussen.

Konfuzius-Statue im Konfuzius-Tempel Shanghai

Konfuzius-Statue im Konfuzius-Tempel Shanghai · Bild: © Rene Drouyer

Der einflussreichste Philosoph der chinesischen Geschichte

Lebensdaten

551–479 v. Chr.

Zeit der Frühlings- und Herbstannalen

Ursprung

Qufu, Shandong

Staat Lu (鲁国)

Hauptwerk

论语 (Lún Yǔ)

Die Analekten

Konfuzius, auch als Meister Kong bekannt, war ein chinesischer Philosoph und Lehrer, dessen Denken die ostasiatische Kultur über 2.500 Jahre prägte. Geboren während der turbulenten Zeit der Frühlings- und Herbstannalen (春秋时代), einer Epoche politischer Fragmentierung und sozialer Unruhen, widmete Konfuzius sein Leben der Wiederherstellung sozialer Harmonie durch moralische Kultivierung und rituelle Ordnung.

Als wandernder Lehrer unterrichtete er Schüler unabhängig von ihrer sozialen Herkunft — ein revolutionärer Ansatz für seine Zeit. Seine Vision: Eine harmonische Gesellschaft, in der jeder durch persönliche Tugend und Bildung zur sozialen Ordnung beiträgt. Er schrieb keine eigenen philosophischen Abhandlungen; seine Lehren wurden von Schülern im Lunyu (论语) festgehalten.

Konfuzius' Einfluss erstreckt sich weit über China hinaus. Seine Betonung von Bildung, Familienverantwortung, ethischer Führung und sozialer Harmonie beeinflusste Korea, Japan, Vietnam und prägt heute noch Geschäftspraktiken, Bildungssysteme und gesellschaftliche Werte in Ostasien und zunehmend weltweit.

论语 (Lún Yǔ) — Die Analekten des Konfuzius

Was ist das Lunyu?

Das Lunyu ist eine Sammlung von Aussprüchen, Anekdoten und Gesprächen des Konfuzius, zusammengestellt von seinen direkten Schülern und späteren Anhängern. Der Text umfasst etwa 500 Abschnitte in 20 Büchern und ist die primäre Quelle konfuzianischer Lehren.

Die deutsche Übersetzung enthält oft ein Vielfaches an Text als das knapp formulierte chinesische Original, was zu unterschiedlichen Interpretationen geführt hat und den Reichtum des Textes über Jahrhunderte bewahrt.

Kernthemen im Lunyu

  • Moralische Kultivierung durch Lernen und Selbstreflexion
  • Bildung für alle — unabhängig von Klasse oder Stand
  • Regierung durch Tugend statt durch Gewalt und Zwang
  • Soziale Harmonie durch richtige Beziehungen und Rituale

Kernkonzepte der Lehre

Rén

Menschlichkeit

Die höchste Tugend im Konfuzianismus. Bezeichnet Mitgefühl, Wohlwollen und Liebe zu anderen Menschen. Der Kern ethischen Verhaltens in allen Beziehungen.

"己所不欲,勿施于人"

"Was du selbst nicht wünschst, das tue auch anderen nicht an." — Analekten 15:24

Anwendung: Grundlage aller zwischenmenschlichen Beziehungen. In der Familie: Echte Fürsorge für Eltern, Geschwister, Kinder. In Freundschaften: Aufrichtiges Mitgefühl statt oberflächlicher Höflichkeit. In der Gemeinschaft: Verantwortung für Schwächere. Diese innere Haltung prägt dann natürlich auch Kollegenbeziehungen, Führungsverantwortung und Geschäftspartnerschaften.

Sittlichkeit & Rituale

Angemessenes Verhalten, Zeremonien und gesellschaftliche Etikette. Schafft soziale Ordnung und zivilisierte Gesellschaft. Nahe am Konzept der Menschenwürde.

Anwendung: Respektvolle Umgangsformen im Alltag schaffen Harmonie. Bei Familienfeiern: Würdigung der Älteren durch Sitzordnung und Ansprache. Im gesellschaftlichen Miteinander: Höflichkeit, Pünktlichkeit, angemessene Kleidung als Respekt vor anderen. In der Trauer: Rituale geben Halt und Ausdruck. Diese kulturelle Achtsamkeit zeigt sich dann auch in professionellen Kontexten, diplomatischen Begegnungen und geschäftlichen Beziehungen.

君子

Jūnzǐ

Der Edle / Die vorbildliche Person

Moralisch kultivierte Person, die durch Tugend führt. Entwickelt sich durch Lernen, Selbstreflexion und Orientierung am Weisen (圣人 Shèngrén).

"君子喻于义,小人喻于利"

"Der Edle versteht, was moralisch ist. Der kleine Mann versteht, was profitabel ist." — Analekten 4:16

Anwendung: Ein lebenslanges Streben nach charakterlicher Reife. Im Alltag: Ehrlichkeit auch wenn es unbequem ist, Bescheidenheit trotz Erfolg, Geduld in Konflikten. Als Elternteil: Vorbild sein statt nur Regeln aufstellen. In der Gemeinschaft: Verantwortung übernehmen ohne Anerkennung zu erwarten. Diese innere Integrität macht dann auch in Leitungsfunktionen den Unterschied zwischen autoritärer Macht und echter Autorität durch Vorbild.

Xiào

Kindliche Pietät

Respekt und Fürsorge für Eltern und Ahnen. Grundlage familiärer Harmonie und Ausgangspunkt für alle sozialen Tugenden.

Anwendung: Die erste und wichtigste menschliche Beziehung. Konkret: Regelmäßiger Kontakt zu Eltern, nicht nur bei Bedarf. Deren Rat einholen auch als Erwachsener. Im Alter: Würdevolle Pflege statt Abschieben. Familiengeschichte bewahren und weitergeben. Diese grundlegende Dankbarkeit und Verantwortung für jene, die uns großzogen, lehrt uns Loyalität und Verlässlichkeit - Eigenschaften, die dann alle anderen Beziehungen prägen, ob privat oder beruflich.

恕 (Shù) — Das Prinzip der Reziprozität

Die konfuzianische Goldene Regel ist negativ formuliert und unterstreicht den Pflichtencharakter: Der Handelnde muss Einfühlungsvermögen beweisen und anderen nichts antun, was er selbst nicht wünscht. Diese Reziprozität ist die praktische Anwendung von 仁 (Ren) im Alltag.

Konfuzianische Version (negativ)

"己所不欲,勿施于人"

"Was du selbst nicht wünschst, das tue auch anderen nicht an."

Vergleich: Westliche Version (positiv)

"Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden möchtest."

→ Konfuzius betont Pflicht statt Recht

Zitate nach Thema

Die zeitlosen Weisheiten des Konfuzius aus dem Lunyu (论语), kategorisiert nach Anwendungsbereichen. Jedes Zitat ist mit seiner Fundstelle in den Analekten versehen und wird in modernen Kontext gesetzt.

Lernen & Bildung

学而不思则罔,思而不学则殆

"Lernen, ohne zu denken, ist eitel; denken, ohne zu lernen, ist gefährlich."

Analekten 2:15

Anwendung: Wahres Verstehen entsteht durch kritisches Hinterfragen, nicht durch bloßes Auswendiglernen. Ob beim Erziehen der Kinder, beim Meistern eines Handwerks oder beim Studieren philosophischer Texte: Passives Aufnehmen ohne Reflexion bleibt oberflächlich. Umgekehrt führt Grübeln ohne Wissensbasis zu Irrwegen. Diese Balance gilt für Schulbildung, Selbststudium und auch berufliche Weiterbildung.

知之为知之,不知为不知,是知也

"Einzugestehen, dass man etwas nicht weiß, ist Wissen."

Analekten 2:17

Anwendung: Intellektuelle Ehrlichkeit beginnt mit dem Eingestehen eigener Grenzen. Im Familiengespräch: 'Ich weiß es nicht' zu sagen statt vorzugeben. Beim Lernen: Lücken erkennen statt überspielen. In Freundschaften: Um Rat fragen statt Allwissenheit vortäuschen. Diese Demut ermöglicht echtes Wachstum und schafft Vertrauen - auch in beruflichen Kontexten und Führungspositionen.

有教无类

"Bildung soll allen zugänglich sein. Man darf keine Standesunterschiede machen."

Analekten 15:39

Anwendung: Eine revolutionäre Idee für Konfuzius' Zeit: Jeder Mensch verdient Zugang zu Bildung, unabhängig von Herkunft oder Stand. Dies gilt für Familien (alle Kinder fördern, nicht nur die begabten), Gemeinschaften (Bibliotheken, Volkshochschulen) und Gesellschaft (Chancengleichheit im Bildungssystem). Diese Grundhaltung prägt dann auch Personalentwicklung und Weiterbildungszugang in Organisationen.

生而知之者,上也;学而知之者,次也

"Von Geburt an Wissen haben – das ist die höchste Stufe. Durch Lernen Wissen erwerben – das ist die nächste Stufe."

Analekten 16:9

Anwendung: Nicht jeder beginnt mit gleichen Voraussetzungen - manche haben natürliche Begabungen, andere müssen härter arbeiten. Entscheidend ist: Niemand ist vom Lernen ausgeschlossen. Wer sich müht, kann Weisheit erlangen. Diese Haltung fördert Ausdauer beim Erlernen von Sprachen, Instrumenten, Fertigkeiten - und ja, auch in beruflicher Entwicklung und Karriereplanung.

Führung & Ethik

君子喻于义,小人喻于利

"Der Edle versteht, was moralisch ist. Der kleine Mann versteht, was profitabel ist."

Analekten 4:16

Anwendung: Die grundlegende Unterscheidung zwischen charakterstarken und charakterschwachen Menschen. Edle Menschen fragen zuerst: 'Ist es richtig?' - ob bei der Erziehung (auch wenn Konsequenz unbequem ist), in Freundschaften (auch wenn Wahrheit wehtut) oder im Gemeinwesen (auch wenn Zivilcourage kostet). Profit und Vorteil sind nicht verwerflich, aber niemals primäre Orientierung. Diese Haltung zeigt sich auch in ethischer Geschäftsführung und integrer Führung.

邦有道,贫且贱焉,耻也;邦无道,富且贵焉,耻也

"Wenn im Staate Ordnung herrscht, ist es eine Schande, ein armer und gewöhnlicher Mensch zu sein. Wenn im Staate Verwirrung herrscht, so ist es eine Schande, reich und Beamter zu sein."

Analekten 8:13

Anwendung: Kontextabhängige Verantwortung: In geordneten Zeiten kann jeder durch Fleiß Erfolg haben - Armut deutet auf Faulheit. In chaotischen Zeiten zeigt Reichtum in Machtpositionen oft Korruption und Ausnutzung. Diese Unterscheidung lehrt uns, Erfolg und Misserfolg immer im Kontext zu bewerten - in Familien, Gemeinschaften und ja, auch in wirtschaftlichen und politischen Krisen.

君子泰而不骄,小人骄而不泰

"Der edle Mensch ist würdevoll, ohne überheblich zu sein; der niedrig Gesinnte ist überheblich, ohne würdevoll zu sein."

Analekten 4:11

Anwendung: Wahre Würde kommt von innen und braucht keine Selbstdarstellung. Im Familienleben: Autorität durch Respekt, nicht durch Anschreien. In Freundschaften: Selbstbewusstsein ohne Angeberei. Im öffentlichen Auftreten: Angemessene Kleidung und Haltung ohne Protzerei. Diese natürliche Würde unterscheidet dann auch echte Führungspersönlichkeiten von bloßen Wichtigtuern.

用之则行,舍之则藏

"Wird man gebraucht, erfüllt man seine Pflicht. Wird man nicht mehr gebraucht, so zieht man sich zurück."

Analekten 7:10

Anwendung: Weisheit liegt im Erkennen der richtigen Zeit. Als Elternteil: Loslassen wenn Kinder erwachsen werden. Als Freund: Da sein in Not, nicht aufdringlich in Ruhe. Im Gemeinwesen: Dienst leisten wenn gerufen, nicht an Posten klammern wenn die Zeit vorbei ist. Diese Demut und Selbsterkenntnis bewahrt auch vor beruflichem Festhalten an Positionen über ihre Zeit hinaus.

Menschlichkeit & Respekt

己所不欲,勿施于人

"Was du selbst nicht wünschst, das tue auch anderen nicht an."

Analekten 15:24

Anwendung: Die konfuzianische Goldene Regel. Vor jeder Handlung innehalten und fragen: Wie würde ich mich an ihrer Stelle fühlen? Beim Erziehen: Keine Strafen, die man selbst als Kind gehasst hätte. In Freundschaften: Keine Kritik, die man selbst nicht ertragen würde. Im Nachbarschaftsstreit: Kein Lärm, den man selbst nicht dulden würde. Diese Empathie bildet dann auch die Grundlage ethischer Geschäftsbeziehungen und fairer Kundenbehandlung.

出门如见大宾,使民如承大祭

"Begegne den Menschen mit der gleichen Höflichkeit, mit der du einen teuren Gast empfängst. Behandle sie mit der gleichen Achtung, mit der das große Opfer dargebracht wird."

Analekten 12:2

Anwendung: Jeder Mensch verdient höchsten Respekt, nicht nur Würdenträger. Die eigenen Kinder, Eltern, Nachbarn mit der Sorgfalt behandeln, die man wichtigen Gästen entgegenbringt. Beim Zuhören: Volle Aufmerksamkeit statt Nebenbei-Hören. In Begegnungen: Echtes Interesse statt Pflichterfüllung. Diese Haltung durchzieht dann alle Beziehungen - auch professionelle Kontakte und Kundengespräche.

当仁,不让于师

"Wo Menschlichkeit geboten ist, steh nicht zurück – selbst hinter deinem Lehrer."

Analekten 15:35

Anwendung: Wenn es um das Richtige geht, gibt es keine Hierarchie. Als Kind: Eltern auf Fehler hinweisen (respektvoll). Als Schüler: Lehrer korrigieren wenn nötig. Im Freundeskreis: Einschreiten bei Unrecht auch wenn unpopulär. Diese moralische Courage gilt im Privaten wie im Öffentlichen - und ja, auch gegenüber Vorgesetzten wenn ethische Grenzen überschritten werden.

巧言令色,鲜矣仁

"Schöne Worte und schmeichlerisches Gehabe gehen selten mit wahrer Tugend einher."

Analekten 1:3

Anwendung: Misstraue glatten Reden ohne Substanz. In Beziehungen: Taten zählen mehr als süße Worte. Bei Versprechungen: Skepsis wenn zu schön klingt. Im eigenen Verhalten: Ehrlichkeit auch wenn holprig, statt glatte Lügen. Diese Authentizität schafft echtes Vertrauen - in Freundschaften, Familie und auch in geschäftlichen Verhandlungen.

Selbstverbesserung

过而不改,是谓过矣

"Wer einen Fehler begangen hat und ihn nicht korrigiert, begeht einen weiteren Fehler."

Analekten 15:29

Anwendung: Fehler sind menschlich - Sturheit ist charakterschwach. Im Familienleben: Entschuldigen wenn man Unrecht hatte, auch gegenüber Kindern. In Freundschaften: Zugeben statt vertuschen. Bei Selbsterkenntnis: Verhaltensmuster ändern wenn schädlich erkannt. Diese Korrekturbereitschaft ist Stärke, keine Schwäche - und bildet auch die Basis konstruktiver Fehlerkultur in Organisationen.

过而不改,是谓过矣

"Einen Fehler machen und sich nicht bessern: Das erst heißt fehlen."

Analekten 15:29

Anwendung: Der eigentliche Fehler liegt nicht im Versagen, sondern im Verharren. Beim Lernen: Aus Misserfolgen lernen statt aufgeben. In Beziehungen: Konflikte als Wachstumschance nutzen. Bei Gewohnheiten: Schlechte Muster erkennen und ändern. Diese Wachstumsorientierung prägt charakterstarke Menschen - im Privaten wie im Beruflichen.

人无远虑,必有近忧

"Ein Mensch, der nicht immer wieder darüber nachdenkt, wie er sich verhalten soll – mit dem weiß ich nichts anzufangen."

Analekten 15:16

Anwendung: Selbstreflexion ist nicht Grübeln, sondern ethische Wachsamkeit. Abends prüfen: War ich heute ein guter Mensch? Habe ich Eltern, Kinder, Freunde gut behandelt? War ich ehrlich? Geduldig? Hilfsbereit? Diese tägliche Gewissensprüfung hält uns auf dem Weg der Tugend - und macht dann auch den Unterschied zwischen gedankenloser Routine und bewusster Führung.

骐骥称其德也,不称其力也

"An einem edlen Pferd schätzt man nicht seine Kraft, sondern seinen Charakter."

Analekten 14:35

Anwendung: Innere Qualitäten übertreffen äußere Fähigkeiten. Bei der Partnerwahl: Charakter vor Aussehen oder Einkommen. Bei Freundschaften: Verlässlichkeit vor Unterhaltungswert. Bei Vorbildern: Integrität vor Erfolg. Diese Wertschätzung des Wesens über die Leistung ist Konfuzius' Kern - und sollte auch Personalentscheidungen und Talentbewertung leiten.

Harmonie & Ausgewogenheit

君子和而不同,小人同而不和

"Der Edle strebt nach Harmonie, nicht nach Gleichheit. Der Gemeine strebt nach Gleichheit, nicht nach Harmonie."

Analekten 13:23

Anwendung: Wahre Einheit bewahrt Unterschiede. In Familien: Jedes Kind anders fördern, nicht alle gleich behandeln. Unter Freunden: Meinungsverschiedenheiten respektieren, nicht Konformität erzwingen. In Gemeinschaften: Vielfalt als Stärke sehen, nicht als Problem. Diese Weisheit - Harmonie durch Respekt vor Unterschieden - gilt für Nachbarschaften, Vereine und ja, auch für Teams und Organisationen.

小不忍,则乱大谋

"Ist man in kleinen Dingen nicht geduldig, bringt man die großen Vorhaben zum Scheitern."

Analekten 15:26

Anwendung: Besonnenheit in Kleinigkeiten bewahrt Großes. Im Streit: Nicht jede Provokation erwidern. Bei Projekten: Nicht bei ersten Rückschlägen aufgeben. In Beziehungen: Nicht wegen Kleinigkeiten zerbrechen lassen. Diese Geduld mit Unwichtigem bewahrt Energie für Wichtiges - im Familienleben, bei persönlichen Zielen und auch in strategischer Planung.

小不忍,则乱大谋

"Wer kleine Widrigkeiten nicht erträgt, verdirbt sich damit große Pläne."

Analekten 15:26

Anwendung: Resilienz im Kleinen ermöglicht Erfolg im Großen. Beim Lernen: Frustration aushalten statt hinwerfen. In Konflikten: Beleidigungen wegstecken statt eskalieren. Bei Rückschlägen: Durchhalten statt resignieren. Diese innere Stärke unterscheidet jene, die ihre Ziele erreichen, von jenen, die bei erster Hürde scheitern - privat wie beruflich.

君子怀德,小人怀土

"Der sittliche Mensch liebt seine Seele, der gewöhnliche sein Eigentum."

Analekten 4:16

Anwendung: Worauf richtet sich deine Sorge? Charakterstarke Menschen pflegen ihre inneren Qualitäten: Bildung, Tugendhaftigkeit, Beziehungen, Weisheit. Charakterschwache horten Besitz und Status. Im Alltag: Zeit für Selbstbildung investieren, nicht nur für Konsum. Bei Prioritäten: Familie vor Karriere wenn nötig. Diese Ausrichtung auf Wesenskern statt Äußerlichkeiten gilt universell - auch bei beruflichen Entscheidungen.

Gemeinschaft & Beziehungen

君子以文会友,以友辅仁

"Der Edle gewinnt Freunde durch seine kultivierte Gelehrsamkeit. Und mit Hilfe dieser Freunde fördert er seine Menschlichkeit."

Analekten 12:24

Anwendung: Wahre Freundschaft entsteht durch gemeinsames Streben nach Tugend. Man gewinnt Freunde nicht durch Unterhaltung oder Vorteil, sondern durch Substanz: Bildung, Charakter, Weisheit. Diese Freunde fordern einen dann heraus, besser zu werden - durch ehrliches Feedback, gute Vorbilder, tiefe Gespräche. So entsteht ein Kreis gegenseitiger Verbesserung - im Privaten wie beim Aufbau professioneller Beziehungen.

有朋自远方来,不亦乐乎?

"Ist es nicht eine Freude, wenn Freunde von weit her kommen?"

Analekten 1:1

Anwendung: Die Eröffnungszeile des Lunyu! Freundschaft überwindet Distanz. Die Freude am Wiedersehen nach langer Trennung, an Briefen von Fernen, an Besuchen trotz Mühe. Diese Wertschätzung von Beziehungen trotz räumlicher Trennung gilt für Familien (Auswanderer), Freundschaften (Auslandsjahr) und ja, auch für internationale Geschäftsbeziehungen und Partnerschaften.

吾未见好德如好色者也

"Nie habe ich einen gesehen, der der Tugend mehr ergeben war als der Sinnlichkeit."

Analekten 9:17

Anwendung: Konfuzius' traurige Beobachtung: Menschen streben intensiver nach Vergnügen als nach Tugendhaftigkeit. Leichter für Konsum zu begeistern als für Charakterbildung. Mehr Energie für Unterhaltung als für Selbstverbesserung. Diese Wahrheit zu erkennen ist der erste Schritt zur bewussten Gegenhaltung - in der Kindererziehung, im eigenen Leben und auch bei der Frage, welchen Werten eine Organisation dient.

Hinweis zur Übersetzung: Die chinesischen Originaltexte sind knapp formuliert, deutsche Übersetzungen können variieren. Die hier präsentierten Übersetzungen folgen gängigen Interpretationen des Lunyu. Für wissenschaftliche Arbeit empfehlen wir die Konsultation mehrerer Übersetzungen und Kommentare.

Konfuzius, das Lunyu und die Menschenrechte

Die Begriffe Konfuzius und Konfuzianismus gelten im Okzident als Substanz der ostasiatischen Gesellschaften. Obwohl sie in Asien in dieser Form unbekannt sind, werden sie im Westen häufig zur Erklärung besonderer Respektsbeziehungen zu Autoritäten oder gesellschaftlich höher stehenden Personen herangezogen. Sie werden oft als Fundament einer hierarchischen Gesellschaft verstanden. Dass die Philosophie des Konfuzius und des ihm zugeschriebenen Lunyu eine Affinität zum Konzept der Menschenwürde aufweist, ist dagegen weniger bekannt.

Der Konfuzianismus gilt als Essenz Chinas. Häufig werden mit ihm Begriffe wie Hierarchie, Unterordnung und bedingungslose Pflichten verbunden. Dass der Konfuzianismus und sein berühmter Gründer Konfuzius die Menschenrechte und Menschenwürde als Fundament einer harmonischen Gesellschaft jedoch durchaus wahrnahmen, zeigt eine Analyse des Lunyu. Das Lunyu ist eine Sammlung von Aussprüchen, Anekdoten, Zitaten und Gesprächen des Konfuzius. Da er keine eigenen Texte hinterließ, ist es von seinen direkten Schülern beziehungsweise späteren Anhängern geschrieben worden und existiert in verschiedenen Fassungen. Seine insgesamt etwa fünfhundert Abschnitte sind in zwanzig Bücher gegliedert, die jeweils eine eigene Überschrift tragen. Da sie jedoch nur aus den ersten zwei Zeichen des jeweiligen ersten Abschnitts bestehen, sagen sie wenig über den Inhalt aus, vielmehr enthält jedes Buch verschiedene Themenkomplexe. Der Text des Lunyu ist sehr kurz formuliert, die deutsche Übersetzung enthält in der Regel ein Vielfaches an Text als das Original. Somit ist der Inhalt relativ frei interpretierbar, was sich in der Folge als Quelle für die vielen Kommentare zum Lunyu ergeben hat. Für Konfuzius gibt keine prinzipielle Unterscheidung der Menschen in verschiedene Klassen und Stände. Er beschränkt die natürliche und gesellschaftliche Entwicklung des Individuums, nur auf dessen naturgegebenes Potential und persönlichen Willen:

Von Geburt an Wissen haben - das ist die höchste Stufe. Durch Lernen Wissen erwerben - das ist die nächste Stufe. Große Schwierigkeiten haben und trotzdem lernen - das ist dann die folgende Stufe. Schwierigkeiten haben und nicht lernen - das sind Leute der untersten Stufe. (XVI,9)

Allerdings ist eine Klassifizierung oder Suche nach dem Daseinszweck der Menschen und Welt, auch nicht der Kern der Aussagen von Konfuzius im Lunyu. Ihm geht es vor allem um die Lebbarkeit in dieser Welt, um praktische Erkenntnisse für die Gesellschaft, die es möglich machen die idealisierte Harmonie der Zhou wiederherzustellen:

Konfuzius sprach: „Die Zhou-Dynastie folgt den beiden vorangegangen Dynastien der Xia und Shang. Wie vornehm und kultiviert! Ich folge Zhou." (III,14)

Jedoch ist diese angestrebte Wiederherstellung keine bloße Nachahmung:

Ein Mensch, der nicht immer wieder darüber nachdenkt, wie er sich verhalten soll - mit dem weiß ich nichts anzufangen. (XV,16)

礼 (Li) – Sittlichkeit als Nähe zur Menschenwürde

Um den Edlen (君子), der sich durch das Lernen und der Orientierung am Weisen (圣人) entwickelt, hervorzubringen und eine harmonische Gesellschaft zu konstituieren, bedient sich Konfuzius verschiedener Prinzipien. Besonders hervorzuheben sind vor allem die Sittlichkeit () und die Mitmenschlichkeit (). kommt dem Ergebnis des Konzepts der Menschenwürde sehr nahe, denn durch sittliches Verhalten des Einzelnen, wird nach Konfuzius, weder Gewalt unter den Individuen, noch zwischen Regierenden und Volk herrschen. Zwingende Voraussetzung dafür, ist eine korrekte Einhaltung der den jeweiligen gesellschaftlichen Positionen entsprechenden Verhaltensweisen. Diese, speziell in der Zhou-Dynastie besonders prägenden und weit entwickelten Kodizes, hat Konfuzius „in ihrer Gesamtheit zum Bewusstsein gebracht (…)." (Karl Jaspers "Die großen Philosophen" Band 1 S.161) Sie sind die Grundlage seiner Pflichtenethik.

仁 (Ren) – Mitmenschlichkeit und Reziprozität

Damit aber nicht zur hohlen Form wird und bereitwillig als Ordnungsprinzip Anerkennung findet, ist notwendig:

Konfuzius sprach: „Wer seine Pflichten gegenüber den Menschen () nicht kennt, wie kann der die Riten und Umgangsformen () einhalten? Wer seine Pflichten gegenüber den Menschen nicht kennt - wie kann der die Musik verstehen?" (III,3)
Ran Qiu wollte wissen, was sittliches Verhalten () sei. Konfuzius antwortete ihm: „Begegne den Menschen mit der gleichen Höflichkeit, mit der du einen teuren Gast empfängst. Behandle sie mit der gleichen Achtung, mit der das große Opfer dargebracht wird. Was du selbst nicht wünschst, das tue auch anderen nicht an. Dann wird es keinen Zorn gegen dich geben - weder im Staat noch in deiner Familie. Ran Qiu erwiderte: „Obwohl ich etwas unbeholfen bin, werde ich mich bemühen, nach euren Worten zu handeln." (XII,2)

Das hier genannte Verfahren in gegenseitiger Rücksichtsnahme, „Reziprozität", ist negativ formuliert und unterstreicht damit nochmals den Pflichtencharakter der Lehre des Konfuzius. Da dem Betroffenen etwas nicht angetan wird, gibt es nur einen Aktiven, den Handelnden, dieser muss besonderes Einfühlungsvermögen beweisen.

Bildung für alle – Soziale Gleichheit

Konfuzius strebt also nach Menschen, die das ganze Konzept der Menschenwürde verwirklichen und sich all seiner Formen, als fähig erweisen. Doch im Gegensatz zur bloßen Feststellung, dass mit diesen 君子 eine harmonische Gesellschaft existieren würde, gibt Konfuzius ganz realistisch Anleitung zur Formung der Menschen und fordert von jedem die Anstrengung derselben.

Daher soll nach Konfuzius, jedem die Möglichkeit zur Bildung, zum Studium der , offenstehen:

Konfuzius sprach: „Bildung soll allen zugänglich sein. Man darf keine Standesunterschiede machen." (XV,39)

Fazit: Pflichtenethik statt Rechteerklärung

Es ist also eine Affinität des Lunyu zum Konzept der Menschenwürde zu erkennen. Darüber hinaus sind sogar vermeintlich westliche Gedanken im Lunyu vereint. Daher drängt sich die Frage nach dem Ausbleiben einer chinesischen Menschenrechtserklärung auf. Auch nach über zweitausend Jahren ist es leicht zu zeigen, dass das Lunyu genug Basis für solch eine schriftlich gefestigte Absicht zur Bewahrung der Menschenwürde bietet.

Ein wichtiger Punkt dagegen ist sicherlich der Charakter einer Pflichtenethik, die im Grunde ja keiner ausdrücklichen Rechte bedarf, da die Pflicht des einen realiter zum Recht des anderen wird. Zur Beantwortung dieser Frage reicht eine textimmanente Beschäftigung aber bei weitem nicht aus, man muss zur weitergehenden Betrachtung den Umgang der chinesischen Gesellschaften mit ihrem konfuzianischen Erbe analysieren. Trotzdem soll hier formuliert werden, dass nach Erörterung des europäischen Weges hin zur heutigen Verfassung des Schutzes der Person, keinesfalls festgestellt werden kann, dass jener geradlinig oder ohne Unterbrechungen gewesen war. Vielmehr muss man sagen, dass dieser Weg ohne beständig begangen und bewacht zu werden, nichts als gute Absicht ist. Eben dieser möglichen Fehlkonstellation von vorhandenen Rechten und fehlendem Raum diese umzusetzen, zuvorzukommen, war und ist das Lunyu verpflichtet.

Konfuzius' Ansatz unterscheidet sich von deklaratorischen Aussagen über die dem Menschen innewohnende Würde. Nach seiner Lehre muss sich die Würde durch persönlichen Einsatz entwickeln und im Umgang mit den Mitmenschen beweisen. Deshalb ist zu vermuten, dass nach seiner Auffassung eine formale Menschenrechtserklärung weniger als Ziel denn als Ausdruck eines Zustands verstanden würde, in dem gelebte Tugend und Pflichterfüllung nicht mehr ausreichen. Konfuzius setzt auf die aktive Kultivierung von Tugend und die Kraft des Einzelnen zur Erschaffung einer harmonischen Gesellschaft.

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