Hu Shi war ein bedeutender chinesischer Intellektueller. Er wurde am 7.12.1891 in Shanghai geboren und war das Kind einer Offiziellen-Großfamilie aus Zhixi in Anhui. Er wuchs durch eine Anstellung seines Vaters in Taiwan auf und kehrte nach dessen Tod 1895, mit seiner Mutter zum Familienstammsitz zurück. Er besuchte westlich geprägte Schulen in Shanghai und galt als sehr wissbegierig, schon im Alter von vier Jahren soll er eintausend chinesische Zeichen beherrscht haben.
Mit neunzehn Jahren immatrikulierte er sich durch die Unterstützung eines Boxer-Schadensersatz-Stipendiums an der Cornell University, New York, um Philosophie zu studieren. Dort traf er das erste Mal mit John Dewey zusammen. Seine Dissertation über „die Entwicklung der Logischen Methode im antiken China“ hatte er noch nicht fertig gestellt, als er 1917 nach China zurückkehrte und von Cai Yuanpei als Professor der Philosophie an die Peking Universität berufen wurde.
Hu Shi war anfangs einer der Redakteure der von Chen Duxiu 1915 gegründeten progressiven Zeitschrift „Neue Jugend“, welche sich vor allem für Wissenschaft, Demokratie und eine moderne chinesische Standardsprache einsetzte. Er war ein großer Befürworter der Bewegung für eine Sprachreform und der erste Chinese der Gedichte in der Umgangssprache schrieb. In der „Neuen Jugend“ veröffentlichte er auch seine „Vorschläge für eine literarische Reform“, „Über die historische Literaturauffassung“ und „Über eine konstruktive Revolution in der Literatur“.
Als mittlerweile anerkannter literaturgeschichtlicher Wissenschaftler fand er unter anderem heraus, dass die plastischen Beschreibungen der sozialen Beziehungen im Roman „Der Traum der roten Kammer“ von Cao Xueqin, auf dem luxuriösen Leben der Familie des Autors unter Kaiser Kangxi basierten.
Hu Shi war zeit seines Lebens gegen politischen Radikalismus und überzeugter Pazifist. Emotional fühlte er sich als Mitglied einer Transitionsgeneration, die zwischen den Welten der westlichen Moderne und den Anforderungen der Tradition des alten China gefangen war.
Die Schwierigkeit die Spannungen zwischen den Visionen eines neuen Chinas und den Verpflichtungen des Gewohnten aufzulösen, zeigten sich zum Beispiel in seiner Unterstützung für die Freiheit der Partnerwahl und dem gleichzeitigen Festhalten an seiner eigenen, durch Vermittlung zu Stande gekommenen Ehe, obwohl er laut eigenen Aussagen keine großartigen Gefühle für seine Frau empfand.
Seine Anhängerschaft des Pragmatismus von John Dewey, zeigte sich in einer viel beachteten Attacke auf den Radikalismus der Anarchisten unter Chen Duxiu im Sommer 1919:
„Wir studieren nicht den Lebensstandard eines Rikschakulis, aber reden dafür aufgeregt über den Sozialismus; wir studieren nicht die Wege auf denen sich Frauen emanzipieren können, oder das Familiensystem in Ordnung gebracht werden kann, aber reden freudig über Partnertausch und freie Liebe; wir überlegen nicht wie die Macht der Anfu-Clique gebrochen werden kann oder die Frage von Nord und Süd gelöst werden könnte, sondern diskutieren freudig über Anarchismus. Und vor allem freuen wir uns über uns selbst, gratulieren uns selbst, weil wir über fundamentale „Lösungen“ reden. Um es klar auszudrücken, es ist Träumerei.“
Hu Shi begann schon früh die konfuzianische Ethik kritisch einzuschätzen und lehnte aber auch spätestens nach einem Zwischenstopp in der Sowjetunion während seiner Gastvorlesungsreise 1926, die ihn nach Großbritannien und in die USA führte, den Marxismus ab. Nach verschiedenen Lehrtätigkeiten in Peking und Shanghai bis 1937, hatte sich das politische Klima jedoch nicht in der humanistisch-pazifistischen Weise entwickelt, die Hu Shi bevorzugte.
Seine Ernennung zum chinesischen Botschafter in den USA 1938, war zwar eine Anerkennung seiner wissenschaftlichen Größe, aber gleichzeitig wohl auch die Ebnung eines Wegs der ihn weiter von China entfremden sollte. Er übte diese Rolle bis 1942 aus und blieb bis 1946 Berater der chinesischen Regierung in Washington. Obwohl er bereits 1945 zum Präsidenten der Peking Universität ernannt wurde, fand er sich erst ein Jahr später wieder in Peking ein.
Hu Shi hatte den Botschaftsposten wie er selbst sagte, nur aus vaterländischer Pflichterfüllung im Krieg eingenommen, lehnte es aber prinzipiell ab politische Ämter zu übernehmen. Dementsprechend wies er auch die Angebote Chiang Kaisheks 1948, sich zur Wahl als Staatspräsident und später Ministerpräsident zu stellen, entschieden ab.
Als die US-amerikanische Regierung 1949 in Person vom damaligen Außenminister Dean Gooderham Acheson beschloss Taiwan den kommunistischen Truppen zu überlassen und nicht zu verteidigen, widersprach Hu Shi mit Matthäus 27:24 (Als aber Pilatus sah, dass er nichts ausrichtete, sondern das Getümmel immer größer wurde, nahm er Wasser und wusch sich die Hände vor dem Volk und sprach: Ich bin unschuldig an seinem Blut; seht ihr zu!).
Mit der Eroberung Chinas durch die Volksbefreiungsarmee verließ Hu Shi China und kehrte erst 1958 auf einen Ruf der Academia Sinica in Taiwan, Präsident der Akademie zu werden, nach China zurück. Auf einer Veranstaltung eben jener Vereinigung, starb er am 24.2.1962 durch einen Herzschlag.
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