Hu Shi

Hu Shi

胡适

SchriftstellerPhilosophReformerDiplomat
Geboren:17.12.1891Shanghai, China
Gestorben:24.02.1962
Nationalität:Chinesisch

Führender Intellektueller der chinesischen Moderne, Befürworter der Sprachreform und literarischen Erneuerung. Vertreter des Pragmatismus nach John Dewey, Professor an der Peking-Universität und späterer Botschafter der Republik China in den USA.

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Frühe Jahre und Ausbildung

Geboren am 17. Dezember 1891 in Shanghai als Kind einer Beamtenfamilie aus Jixi in Anhui, wuchs Hu Shi zunächst in Taiwan auf, wohin sein Vater als Beamter versetzt worden war. Nach dem Tod des Vaters 1895 kehrte er mit seiner Mutter zum Familienstammsitz zurück. Hu Shi besuchte westlich geprägte Schulen in Shanghai und galt schon früh als außerordentlich wissbegierig – bereits mit vier Jahren soll er eintausend chinesische Schriftzeichen beherrscht haben. Mit neunzehn Jahren erhielt er ein Boxer-Aufstandsentschädigungs-Stipendium und immatrikulierte sich an der Cornell University in New York, um Philosophie zu studieren. Dort begegnete er erstmals John Dewey, dessen Pragmatismus sein Denken nachhaltig prägen sollte.

Literarische Revolution und Sprachreform

1917 kehrte Hu Shi nach China zurück – noch ohne seine Dissertation über die Entwicklung der logischen Methode im antiken China abgeschlossen zu haben – und wurde von Cai Yuanpei als Professor für Philosophie an die Peking-Universität berufen. Als einer der Redakteure der von Chen Duxiu 1915 gegründeten progressiven Zeitschrift 'Neue Jugend' (新青年, Xīn Qīngnián) setzte er sich vehement für Wissenschaft, Demokratie und eine moderne chinesische Standardsprache ein. Hu Shi war der erste Chinese, der Gedichte in der Umgangssprache (Baihua, 白话) schrieb, und wurde zum führenden Befürworter der literarischen Revolution. In der 'Neuen Jugend' veröffentlichte er seine einflussreichen Essays 'Vorschläge für eine literarische Reform' (文学改良刍议), 'Über die historische Literaturauffassung' und 'Über eine konstruktive Revolution in der Literatur'. Als anerkannter Literaturwissenschaftler entdeckte er unter anderem, dass die lebendigen sozialen Beschreibungen im klassischen Roman 'Der Traum der roten Kammer' (红楼梦, Hóng Lóu Mèng) von Cao Xueqin auf dem luxuriösen Leben der Autorenfamilie unter Kaiser Kangxi basierten.

Philosophie und pragmatische Haltung

Hu Shi war zeitlebens überzeugter Pazifist und befürwortete pragmatische Reformen. Als Anhänger des Pragmatismus von John Dewey setzte er sich für schrittweise gesellschaftliche Verbesserungen ein. Im Sommer 1919 betonte er die Bedeutung konkreter Studien und praktischer Lösungen gegenüber theoretischen Diskussionen. Diese Haltung spiegelte sein Selbstverständnis als Mitglied einer Übergangsgeneration wider, die zwischen der westlichen Moderne und den Traditionen des alten China stand. Die Spannung zwischen Vision und Verpflichtung zeigte sich auch in seinem persönlichen Leben: Obwohl er soziale Reformen befürwortete, lebte er selbst nach traditionellen Konventionen. Philosophisch orientierte sich Hu Shi am amerikanischen Pragmatismus und entwickelte während seiner Gastvorlesungsreise 1926 durch Europa und die USA seine Gedanken zu Wissenschaft und Gesellschaft weiter.

Spätere Jahre und Vermächtnis

Nach verschiedenen Lehrtätigkeiten in Peking und Shanghai wurde Hu Shi 1938 zum chinesischen Botschafter in den USA ernannt – eine Anerkennung seiner wissenschaftlichen Bedeutung und internationalen Reputation. Er übte diese Rolle bis 1942 aus und blieb bis 1946 Berater der chinesischen Regierung in Washington. Obwohl er bereits 1945 zum Präsidenten der Peking-Universität ernannt wurde, kehrte er erst ein Jahr später nach Peking zurück. Hu Shi verstand sich in erster Linie als Gelehrter und lehnte es grundsätzlich ab, höchste politische Ämter zu übernehmen. So schlug er 1948 Angebote aus, sich zur Wahl als Staatspräsident oder Ministerpräsident zu stellen. In den politisch bewegten Jahren um 1949 vertrat Hu Shi weiterhin seine pazifistischen Überzeugungen und setzte sich für friedliche Lösungen ein. 1949 verließ er das chinesische Festland und lebte zunächst in den USA. 1958 folgte er einem Ruf der Academia Sinica nach Taiwan, um Präsident der Akademie zu werden. Hu Shi bleibt eine der prägendsten Figuren der chinesischen Moderne – ein Gelehrter, der wesentlich zur Entwicklung der modernen chinesischen Sprache und Literatur beitrug. Seine Arbeiten zur Sprachreform und sein Einsatz für Wissenschaft und Bildung haben die chinesische Kultur des 20. Jahrhunderts nachhaltig beeinflusst.