Zhang Jie
张洁
Chinesische Schriftstellerin und eine der ersten feministischen Autorinnen Chinas. Einzige Schriftstellerin, die zweimal den renommierten Mao-Dun-Literaturpreis gewann (1985, 2005). Mit "Liebe darf man nicht vergessen" (1979) brach sie literarische Tabus der Kulturrevolution.
Frühe Jahre: Armut und die Bindung zur Mutter
Zhang Jie wurde am 27. April 1937 in Peking geboren. Ihre Eltern trennten sich früh, danach wuchs sie bei ihrer Mutter in einem Dorf in Fushun (Provinz Liaoning) auf und nahm den Nachnamen ihrer Mutter an. Die beiden waren voneinander abhängig und durchlebten schwere Jahre in turbulenten Zeiten. Ihre Mutter arbeitete als Dorfschullehrerin und musste zusätzlich als Dienstmädchen und Postbotin in einer Fabrik arbeiten, um die Familie zu ernähren. Diese frühe Armut und der starke Schutz ihrer Mutter prägten Zhang Jies literarisches Thema der Mutter-Tochter-Beziehung fundamental. 1960 schloss sie die Renmin-Universität Peking (Statistik) ab und arbeitete im Ersten Ministerium für Maschinenbauindustrie. Sie heiratete einen Sänger und bekam ihre Tochter Tang Di, bevor sie 1969 geschieden wurde. Zwischen 1969 und 1972 durchlief sie die "Umerziehung" an der "7.-Mai-Kaderschule" während der Kulturrevolution.
Literarischer Durchbruch: Narbenliteratur und Feminismus
Zhang begann nach der Kulturrevolution zu schreiben. Ihr Debüt "Das Kind aus dem Wald" (从森林里来的孩子, 1978) erschien in der Zeitschrift Pekinger Literatur und Kunst und gewann sofort den Preis für die beste Kurzgeschichte 1978. Die Erzählung gehört zur "Narbenliteratur" (伤痕文学) und thematisiert das Leiden dieser Epoche. Im folgenden Jahr veröffentlichte sie "Liebe darf man nicht vergessen" (爱,是不能忘记的, 1979) – einen literarischen Wendepunkt. Die Geschichte über die unerfüllbare Liebe einer Frau zu einem verheirateten hochrangigen Parteikader brach mit literarischen Konventionen der Zeit und stellte die emotionale Innenwelt in den Mittelpunkt. Die Erzählung gewann den Preis für die beste Kurzgeschichte 1979 und etablierte Zhang als eine der ersten feministischen Stimmen Chinas.
Reformliteratur und feministische Werke
Der Roman "Schwere Flügel" (沉重的翅膀, 1981) erschien im April 1981 und löste sofortige Kontroversen aus. Zhang nutzte ihre 20-jährige Erfahrung im Maschinenbauindustrie-Ministerium, um über Wirtschaftsreformen zu schreiben. Der Roman thematisiert die Arbeit hochrangiger Kader in einem Schwermaschinenministerium und zeigt sowohl Reformbestrebungen als auch familiäre Konflikte. Das Werk gewann 1985 den 2. Mao-Dun-Literaturpreis. "Die Arche" (方舟, 1982) ist eines ihrer persönlichsten Werke: Drei geschiedene, hochgebildete Klassenkameradinnen leben zusammen in einer Wohneinheit – ihrer "Arche" – und erleben Feindseligkeit von Nachbarn und Kollegen. Der Roman thematisiert die Angst, Einsamkeit und Trostlosigkeit intellektueller Frauen. 1980 trat Zhang der Kommunistischen Partei bei, 1982 dem internationalen PEN-Zentrum China. Sie las aus ihren Werken in Berlin, Paris und Wien.
Mutter-Tochter-Literatur und späte Anerkennung
1991 starb Zhang Jies Mutter. Daraufhin schrieb sie "Der Mensch, der mich am meisten auf dieser Welt liebte, ist gegangen" (世界上最疼我的那个人去了, 1994) – eine lange Erzählung über die letzten achtzig Tage und Nächte im Leben ihrer Mutter. Das Werk ist ein schlichter, unprätentiöser Ausdruck der Liebe zwischen Mutter und Tochter und thematisiert Hingabe, Abhängigkeit, Nachsicht, aber auch Beschwerden und Bedauern. Der Roman "Wortlos" (无字, 2002) gewann 2005 den 6. Mao-Dun-Literaturpreis – Zhang wurde damit zur einzigen Schriftstellerin, die diese Auszeichnung zweimal erhielt. Das Werk beschreibt die Lebensgeschichte der Schriftstellerin Wu Wei und mehrerer Generationen von Frauen in ihrer Familie vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Umbrüche Chinas. Zhang Jie starb am 21. Januar 2022 im Alter von 84 Jahren in New York. Ihr literarisches Vermächtnis liegt in der Darstellung weiblicher Schicksale und der psychologischen Kosten gesellschaftlicher Transformationen.